Die Krone abgelegt, in der Schubkarre verschanzt, zu schwer die Last, einst monumentales Hoheitszeichen, inzwischen funktionslos gewordenes Beiwerk; das Schwert, außer Gefecht gesetzt, die Kriegerin, ehemals mutige Amazone, jetzt verzweifelt, entkräftet, geschwächt; der Himmel, ein Gebräu Grau in Grau, eine düstere dicke Wolkendecke, in apokalyptischer Vorahnung: der Kampf scheint gekämpft, es herrscht Stillstand, Endzeitstimmung – es ist vorbei. Totenköpfe gemahnen, erinnern an das Ende, das Ende eines gelebten Lebens, das Ende eines Krieges, das Ende der Welt – zur Schlachtbank hier, Erlösung dort, das Paradies, nicht mehr als eine verführerisch lauernde, vor Hitze strotzende, entleerte Landschaft der Südhalbkugel, die, viel zu heiß für ein Arkadien, bedrückte Stimmung verbreitet. Samuel Beckett lässt grüßen, ein Welt-Theater der Leere, „Warten auf Godot“ auf Leinwand, existentialistisch inszeniert. Was geht dem voraus, was war gewesen, was ist passiert? Ein vielleicht sinnloses Leben, deren Heiterkeit sich speist aus dem unbekümmerten Dasein liebreizender Zeitgenossen, tierischer Abstammung; Hunde, Katzen, Vögel, Ziegen, Böcke, oder, Schimpansen, ein Spiegel unserer Selbst, dazu verbannt, den Clown zu geben, oder, Demut zu heucheln; derweil, der Blumenstrauß, wie in Sekunden welk; ein Herz, mit letzter Kraft zu schlagen bereit, ein Gebirge, das bröckelt, Sand- und Kiesstein verliert, verschmilzt mit Himmel, Erde, Urgestein, sich langsam, aber sicher auflöst, in ein Nichts übergeht. Metaphysisch. Mental.
Wir, die GALERIE NOAH im Augsburger Glaspalast, zeichnen hier ein überwiegend düsteres, zugleich auch wunderschönes Bild, voller Pathos und Schwermut, ein Bild, bestehend aus 40 Arbeiten meist der letzten Jahre von zehn vielversprechenden Künstlern aus Augsburg, die sich viel mit Vanitas, Vergänglichkeit, Vergehen beschäftigen, mit Vereinsamung, mit trister Provokation, mit tief-trübem Fischen im selig Filigranen, auf der Suche nach Sinn, Sinnhaftig-, wie Sinnlosigkeit; die das Wahre,
Gute und Schöne allerhöchstens kurz aufflackern lassen, sich kurz daran ergötzen, um wieder in Resignation zu versinken. Crazy, verrückte, ja, psychopathische, also, von Ängsten und vermeintlichen Zwängen, auch antisozialen Verschwörungstheorien motivierte Motive, Kompositionen könnte man, so man wollte, deuten. Sind Krieg, Klimakrise und schwindende Konjunktur, Sorge um die Zukunft Schuld daran? Oder, die Heimat Augsburg, Bayerisch-Schwaben, Bayern? Oder aber, sind wir nicht alle ein bisschen „Psycho“? Selbstironisch, teils sarkastisch, oft unverschämt unmittelbar versuchen wir all diesen mysteriösen Fragestellungen in dieser unserer aktuellen Ausstellung auf den Grund zu gehen.
Und, by the way, von wegen unakademische Spinner!
Die ganze Bandbreite an Gattungen ist vertreten, der Akademismus ist zurück, gemalt, gezeichnet, auf Leinwand wie auf Papier: die Landschaft, das Bildnis, die Allegorie, das Genre wie das Stillleben, ob foto-, hyperrealistisch gefeilt, ins fantastisch-surreale Reich verfrachtet oder figurativ-poppig interpretiert, wild neo-expressionistisch gefühlt, informell abstrahiert oder konkret ausgelotet; diverse Epochen, Stilrichtungen klingen an, die erschließende Renaissance eines Lucas Cranach, das helldunkle Barock aus Flandern, die schweren Deutschrömer, auch die englischen Präraffaeliten, René Magrittes Surrealismus, die deutsche Pop-Art à la Sigmar Polke, die Jungen Wilden, Mythologie überall, antike, germanische, heidnische, auch christliche – das alles fließt hier im Kuppelsaal in mystisch-makaberer Manier zusammen; vereinzelte Objekte setzen dieser schwermütigen Show im wahrsten Sinne die Krone auf. Mit dabei: lauter kleine wie große Stars, bereits international gefeierte Helden wie Martin Eder oder Philipp Fürhofer, inzwischen in Berlin angesiedelt, auch und vor allem
Max Kaminski, 2019 verstorben, junge Aufstreber wie Helen Hu, Meisterschülerin von Anselm Reyle in Hamburg, oder Timur Lukas, einst Schüler von Günther Förg; die Augsburger Evergreens Felix Weinold, Monika Schultes, Günther Baumann, auch Daniel Man, gelernt bei Markus Oehlen in München, und, nicht zu vergessen, unser Bildhauer aus dem Allgäu, Guido Weggenmann, ehemals Schüler von Olaf Metzel.
Wilma Sedelmeier